Bramsche-Hesepe, Dienstag, 2. Mai 2006

Wir steigen der Lagerleitung auf das Dach – Abschiebelager Bramsche-Hesepe schließen!!

 

 

 

In den frühen Morgenstunden des 2. Mai wurden die Dächer der Behörden des Abschiebelagers in Bramsche-Hesepe von einer Gruppe AktivistInnen besetzt. Mit dieser Aktion sollte die Forderung nach Schließung des Lagers unterstrichen werden, die seit Bestehen des Lagers sowohl von BewohnerInnen als auch von UnterstützerInnen  immer wieder erhoben wird.

Dieses größte Abschiebelager Deutschlands liegt versteckt im Wald, wie die meisten der Sammelunterkünfte für Flüchtlinge in Deutschland. Das entspricht der Abschottungs- und Abschiebemaschinerie, in die Menschen geraten, die nichts anderes suchen, als ein menschenwürdiges Leben, ein Leben ohne Verfolgung, ohne Angst vor Hunger und Tod und ohne Repression.

Mit welchen Schicksalen und Fluchthintergründen auch immer, wenn die Menschen in diesem Lager landen, geraten sie in einen neuen Apparat von Repression, der zum Ziel hat, die Menschen zur sog. „Freiwilligen Ausreise“ zu zwingen oder abzuschieben.

Zu diesem Apparat der Repression gehören die Lebensbedingungen in dem Lager, mit kaum einer Privatsphäre, mit der fast völligen Bestimmung des Alltags von den Strukturen des Lagers und es gehören dazu die Repressionen von Seiten der Behörden, das Verweigern der wenigen Geldmittel, die Flüchtlingen zustehen, das Arbeitsverbot, das Verhängen von Geld- oder Haftstrafen, wenn die Behörden entscheiden, daß ein Flüchtling angeblich seiner Mitwirkungspflicht nicht genüge tut.

Das Abschiebelager in Bramsche-Hesepe ist eingebunden in ein europaweites Lagersystem, das Teil der Politik der „Festung Europa“ ist. Die Fluchtwege nach Europa werden immer schärfer kontrolliert, mit einem unglaublichen technischen und finanziellen Aufwand, der zur Folge hat, daß Flucht immer lebensbedrohlicher wird. Erste Lager für Flüchtlinge, aus denen sie wieder in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden sollen, befinden sich an den Außengrenzen Europas. Weitere Lager befinden sich an den Innengrenzen, für die Flüchtlinge, die es trotzdem geschafft haben, die Grenze Europas zu überschreiten. Das Lagersystem wird ergänzt durch die Lager in den einzelnen Ländern Europas, zu denen auch das Abschiebelager in Bramsche-Hesepe zählt.

Weltweit steigt die Zahl der Flüchtlinge – doch immer weniger Menschen schaffen es in die reichen Länder und diejenigen, die es schaffen, sollen so schnell wie möglich wieder ausgewiesen werden.

In diesem unmenschlichen Regime ist das Lager in Bramsche-Hesepe ein Baustein. Zudem ist es ein besonderes Symbol, weil es Modellprojekt dafür ist, wie in Zukunft in Deutschland Lager aussehen sollen, wie also in Zukunft mit Menschen umgegangen werden soll. Verantwortlich für diese Zukunft sind u.a. Deutschlands Innenminister, die am 4. und 5. Mai zur Innenministerkonferenz in Garmisch-Patenkirchen zusammentreffen. Leider ist nicht damit zu rechnen, dass sie die kommende Konferenz nutzen werden, um die Lebensbedingungen von Flüchtlingen zu verbessern, sondern vielmehr um Abschiebungen weiter zu forcieren.

Flüchtlinge aus Bramsche-Hesepe haben schon oft gegen ihre Unterbringung protestiert und gemeinsam mit UnterstützerInnen die Schließung gefordert. Doch die verantwortlichen Behörden und PolitikerInnen schalten auf stur.

Deshalb haben wir heute mit der Aktion das Lager ein weiteres Mal in das Licht der Öffentlichkeit gebracht.

Für die Abschaffung der Lagerunterbringung für alle Flüchtlinge!

Für offene Grenzen und für Bewegungsfreiheit für Alle!

Für freies Fluten!

 

            

Der Ablauf der Aktion:

Um 5 Uhr 30 näherte sich die Gruppe von ca. 35 AktivistInnen, die alle in orange oder weiße Overalls gekleidet waren der Pforte des Lagers, welche nicht verschlossen war, so daß alle innerhalb kürzester Zeit in das Lager gelangen konnten, bevor der Wachdienst überhaupt richtig reagierte. Mit Leitern wurden die Dächer zweier Gebäude bestiegen und verschiedene Transparente mit der Schließungsforderung und der Forderung auf gleiche Rechte für alle hochgehalten. Die Aktion wurde von 15-20 BewohnerInnen des Lagers unterstützt. Sie blockierten das Tor des Lagers und die Einfahrt, so daß die ankommenden Angestellten des Lagers nicht so ohne weiteres ihren Arbeitsplatz erreichen konnten. Flüchtlinge und AktivistInnen auf den Dächern riefen gemeinsam Parolen, unterstützt von rhythmischem Trommeln. Die Aktion war bis zur doch immerhin einige hundert Meter entfernten Bundesstraße hörbar.

Die Angestellten der Security-Firma, deren Job es ist, die Pforte zu bewachen und die von dem Eindringen der AktivistInnen überrumpelt waren, hatten derweil die Polizei alarmiert. Ein erster einzelner Streifenwagen traf um 5 Uhr 45 ein. Weitere folgten um kurz vor 6 und um kurz nach 6 Uhr war die Polizei mit ca. 10 Fahrzeugen vertreten. Die Aktion wurde allerdings nicht von ihnen behindert. Unter Polizeischutz wurden einige Angestellte in das Lager geleitet, andere versammelten sich zunächst unschlüssig auf dem Parkplatz vor dem Lager. Der Dienststellenleiter, Herr Bramm, war nicht anwesend, wurde telefonisch verständigt, war aber nicht erreichbar. Er tauchte auch bis zum Ende der Aktion nicht auf.

Gegen 7 Uhr führten AktivistInnen und BewohnerInnen gemeinsam eine Demonstration durch das Lager durch, die zu den Wohnhäusern und den Behörden des Lagers führte und wieder an der Eingangspforte endete. Gegen 7 Uhr 30 wurde die Aktion insgesamt beendet. Flüchtlinge und AktivistInnen bekundeten gemeinsam, daß dies nicht die letzte Aktion gewesen sei. Es wurde noch einmal darauf hingewiesen, daß trotz der anhaltenden Proteste seit nunmehr über fünf Jahren, die verantwortlichen Behörden (von Lagerleitung bis Innenministerium) außer mit Verleumdungen und Repression nicht auf die erhobenen Forderungen reagiert haben und einer inhaltlichen Auseinandersetzung ausgewichen sind.

Bei der Abfahrt der AktivistInnen wurden von fast allen durch die Polizei die Personalien festgestellt.