„Freedom of Movement – Anti-Lager-Action – Tour against Deportation and Exclusion“

 

In diesem Jahr wird es als Fortsetzung der Grenzcamps der letzten Jahre eine Anti-Lager-Action-Tour geben, auf der in kleineren und größeren Camps verschiedene Orte in Deutschland besucht werden, in denen Flüchtlinge untergebracht sind: Abschiebeknäste, Abschiebelager, Ausreisezentren, Containerlager, usw. Die Tour für Bewegungsfreiheit findet vom 20. August bis zum 5. September statt. Der Auftakt und eines der drei größeren Camps wird am Abschiebelager in Bramsche-Hesepe sein.

In den letzten zehn Jahren haben mehr Flüchtlinge als je zuvor gegen das Lagerregime protestiert: gegen die inhumanen Bedingungen, unter denen sie zu leben gezwungen werden, gegen die Lager in den Wäldern, in ehemaligen Militärbaracken, in Industriezonen und Containerschiffen. Ihr Kampf in diesen Nicht-Orten ist ein Kampf für die Rückgewinnung von Würde und Selbstbestimmung, ein Kampf gegen eine rassistische Gesetzgebung, der Verfolgung durch Spezialgesetze, die die Bewegungsfreiheit versagen. Dieser Kampf ist alltäglich, sowohl im individuellen Unterlaufen und Missachten wie in der Dynamik des kollektiven Widerstehens.

Der Kampf gegen die Lager und den Rassismus der Institutionen und in Teilen der Bevölkerung ist der Kampf gegen Grenzen. Uns zu unterteilen, einzuteilen und voneinander zu isolieren, uns beherrschbar, verwertbar und verfügbar zu machen. Diese Einteilung und Aussonderung von Menschen machen wir nicht mit, nicht die Aufteilung der Gesellschaften und der Welt in Zonen der Armut und des Reichtums, des Zugangs zu Rechten und der Rechtlosigkeit, in Zonen des Krieges und falschen Friedens. Wir wollen diese Fundamente der herrschenden Verhältnisse, die Zäune der Lager, die sichtbaren und unsichtbaren Grenzen der Zonierungen untergraben/sprengen, unser Wissen und unsere Erfahrungen im Widersetzen verknüpfen.

Solidarität verbindet unsere Kämpfe für Befreiung miteinander. Unsere Autonomie ist unsere Selbstorganisierung, unsere Solidarität und die Bewegungs-Freiheit, die wir uns nehmen; unser Widerstand gegen Lager, Abschiebung, sozialen Ausschluß und Migrationskontrolle.

Keine Lager, nicht hier und auch nicht anderswo!

 

Lager – überall in diesem Land gibt es diese Orte, die auf keiner Landkarte verzeichnet sind.

Wir wollen neue Karten zeichnen. Landkarten des Widerstandes, die sichtbaren Zäune und Mauern aktiv angreifen, laut herunterreißen oder leise umschiffen, unterspülen, unterlaufen, uns nehmen, was wir brauchen.

 

Wir fordern die Schließung aller Lager: Internierungslager, Abschiebeknäste, Abschiebelager und die Abschaffung des Residenzpflicht-Gesetzes!

 

Über 17 Tage wollen wir mit der Anti-Lager-Tour diesen Widerspruch gegen das System der Lager und Zonierungen hörbar und spürbar werden lassen und die Kämpfe in den Lagern mit Aktionen unterstützen. Auch die verantwortlichen PolitikerInnen und SchreibtischtäterInnen, die nutznießenden Unternehmen und Organisationen werden Ziele unseres Widerstandes sein.

Die Tour, sowie die Aktionscamps sind ein „experimenteller Raum“, ein Laboratorium des gemeinsamen, selbstorganisierten Lebens und Protestes, das sich speist aus den Erfahrungen der antirassistischen Grenzcamps der letzten Jahre, der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen sowie der Aktionstage gegen das „Ausreisezentrum“ Fürth im vergangenen September.

 

Tourdaten:

20.-24. August: Camp in Bramsche mit bundesweiter Auftaktdemo und Aktionstag in Neuss

25. August: Hannover

26. August: Halberstadt

27.-31. August: Camp in Parchim-Tramm mit Aktionstag in Schwerin

1. September: Berlin

2.-5. September: Camp in Eisenhüttenstadt

 

Protestieren, Pfeifen, Sprayen, Demonstrieren, Zäune rütteln, Zäune zerlegen, die Meinung sagen, Feiern, Diskutieren, Puscheln, Bemalen, Interviewen, Rumoren, Randalieren und Action ... 17 Tage Widerstand, Solidarität und Zeit uns kennenzulernen. Eine Widerstandstour und 3 Aktionscamps zum mitfahren, mitmachen, mitkämpfen, kollektive Strukturen erproben. Auch die Fahrt wird zu einem Konvoi des Protestes und wir werden der Residenzpflicht trotzen.

 

Schließung aller Abschiebelager, Sammelunterkünfte und Knäste, egal ob sie Ausreisezentren, Zentrale Aufnahmestellen, Landesaufnahmestelle, AsybewerberInnenunterkünfte oder wie auch immer genannt werden!

 

Neuss:

In Neuss befindet sich seit 1993 der bundesweit einzige Frauen-Abschiebeknast. Der Knast mitten in der Neusser Innenstadt befindet sich in einer ruhigen Wohnstraße und wird kaschiert durch eine unauffällige Fassade. In dem Knast sind momentan zwischen 60-80 Frauen eingesperrt, darunter immer wieder Schwangere und Minderjährige. Die Frauen werden willkürlich in Zweier- und Sechserzellen gesperrt. Gegessen wird in den 9 qm kleinen Zellen. Auch das Waschbecken und die Toilette befinden sich in der Zelle, nur durch einen Vorhang getrennt. Die medizinische Versorgung ist unzulänglich. Einen psychologischen Dienst gibt es für sie nicht, auch keine Hauptamtliche Sozialarbeiterin und keine juristische Beratung. Der einzige Grund ihrer Inhaftierung ist ihre Migration in die BRD. Weg mit dem Knast!

 

Abschiebeknast:

Abschiebeknäste sind die extremste Form von Flüchtlingslagern in der BRD. Eingeknastet hinter hohen Mauern und Sicherheitsdraht, bewacht von bewaffneten SicherheitsbeamtInnen. Zellen, Schließzeiten, Hofgang, eingeschränkte Besuchszeiten, eingeschränkte Telefonmöglichkeiten, ausgeliefert der Willkür des Personals, der Willkür des Rechtsstaats. Dahinter steckt System, wer in der BRD unerwünscht ist und nicht die richtigen Papiere besitzt, muß weg. Das Warten auf die Abschiebung oder Selbstaufgabe in Form der „freiwilligen“ Ausreise lassen keinen Spielraum, nur die zarte Hoffnung für die, die anwaltlichen Beistand haben, daß sich doch noch etwas zum Positiven wendet. Deshalb Solidarität stärken! Bleiberecht für alle!

 

Landesaufnahmestelle, Ausreisezentrum:

Seit Anfang 1998 gibt es die ersten Abschiebelager in der BRD. Mit ihnen schufen sich die Innenministerien eine Alternative zur Abschiebung. Statt Abschiebung wird soviel Zwang und Druck ausgeübt, daß ca. 50% der Betroffenen es vorziehen, in die Rechtlosigkeit abzutauchen. Dies ist aus Sicht der Behörde ein Erfolg, geschaffen werden weitere Papierlose, irreguläre ArbeiterInnen. Nur 5% werden durch den Druck zur sog. „freiwilligen“ Ausreise bewogen. „Verfügung einer Wohnsitznahmeverpflichtung als Auflage zur Duldung“ heißt im Behördenjargon, was einer Zwangseinweisung gleichkommt. Die Betroffenen müssen ihre Arbeit aufgeben, ihre Wohnung verlassen, ihren Wohnort, ihr soziales Umfeld, die Kinder ihre Schule und sich meist mehrere Kilometer weit weg in Abschiebelager begeben. Die Flüchtlinge in diesen Lagern werden ständig kontrolliert, ihre Zimmer z.T. durchsucht, Gegenstände, die sie angeblich nicht besitzen dürfen, werden weggenommen. Sie müssen sich regelmäßig melden, werden wöchentlich verhört, mürbe gemacht und unter Druck gesetzt, auf das sie Deutschland endlich verlassen. Dies bedeutet einen permanenten Stresspegel für die Betroffenen, diesem psychischen Druck und der massiven Einschränkung  der Lebensgestaltung ist schwer standzuhalten. Anfänglich wurden Flüchtlinge zwangseingewiesen, die angeblich an ihrer Ausreise nicht aktiv mitarbeiten durch angebliche Herkunftsverschleierung oder mangelnde Mitwirkung. Doch werden z.B. in Bramsche mittlerweile auch Menschen, die sich noch im Asylverfahren befinden und die angeblich kaum eine Aussicht auf Asyl haben, zwangseingewiesen. Diese sog. Prognoseaussagen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gehen u.a. nach Listen sog. „sicherer Herkunftsländer“ oder „Drittstaaten“ vor, über die eine Person eingereist ist. In diesem Konzept gibt es kein individuelles Recht auf Asyl mehr, sondern die „Rücknahmebereitschaft“ der Herkunftsländer entscheidet über das Schicksal des Geflohenen. Dies geschieht in Bramsche, wo mit der Landesaufnahmestelle (LASt) eine neue perfide Form des Abschiebelagers geschaffen wurde.

 

Bramsche-Hesepe:

Bramsche-Hesepe in der Nähe von Osnabrück ist eines der ersten Modellprojekte der neuesten Form von Ausreiseeinrichtungen, das mittlerweile den neutralen Namen Landesaufnahmestelle trägt. Die ehemalige Kaserne, später Grenzdurchgangslager, wird seit November 2000 als Ausreiseeinrichtung betrieben. Die 200 Plätze wurden jüngst auf 550 Plätze aufgestockt. Das Abschieblager ist eine Reaktion auf den Referentenentwurf für das neue Zuwanderungsgesetz aus dem Bundesinnenministerium von 2000. Theoretisch wäre in dem Komplex sogar eine Erweiterung auf 1200 Plätze möglich. Der einzige Vorteil der neuen LASt ist, daß nicht mehr wie zuvor alleinstehende minderjährige Flüchtlinge in dem Lager untergebracht werden. Ansonsten haben sich die Bedingungen verschlechtert. Selbst eine Lagerschule für die Kinder ist eingerichtet worden, sog. „Förderklassen“, damit kommen die Kinder nicht mehr aus dem Lager. Die Abschottung auch der Kinder wird damit perfekt. Weiter wird das Personal im Lager um mehr als ein Drittel gekürzt. Es gibt keine Rechtsberatung, keine medizinische oder psychologische Betreuung im Lager. Stattdessen erhält die Bramscher Polizei gekoppelt mit der Aufstockung im Lager 2 neue Planstellen. Auf dem Gelände befindet sich auch die IOM und die Ausländerbehörde. Gegen die Isolation und das Abdrängen in die weitere Rechtlosigkeit! Kein Mensch ist illegal!

 

Hannover:

Hannover, Abschiebeflughafen – auch von hier aus werden Flüchtlinge zwangsabgeschoben. Jedes Jahr werden in der BRD 50.000 Menschen vom Bundesgrenzschutz abgeschoben. Dabei kommt es auch immer wieder zu Todesfällen, wie zuletzt am 28. Mai 1999, als der sudanesische Flüchtling Aamir Ageeb bei seiner Abschiebung von Frankfurt am Mein nach Khartoum von Beamten des Bundesgrenzschutzes erstickt wurde.

Abschiebeknast:

In Hannover-Langenhagen betreibt das Land Niedersachsen seit 2000 ein zentrales Abschiebegefängnis. Dort sitzen ca. 210 Flüchtlinge und harren ihrem Schicksal. Die Landesregierung in Hannover war unter Schröder für das Modell X, das erste Ausreisezentrum der BRD, verantwortlich. Smash racist strukturs!

 

Halberstadt:

In den drei 5-stöckigen Plattenbaublöcken mit insgesamt 1500 Plätzen sind 700 Menschen in der ZASt untergebracht, sie warten auf ihre Umverteilung. Weitere 100 Menschen befinden sich im sog. Ausreisezentrum auf der vierten Etage des ersten Blocks. Die Gebäude einer ehemaligen Kaserne der Roten Armee liegen 7 km außerhalb der Stadt im Wald und sind viedeoüberwacht. Die Ghettoisierung ist beabsichtigt, auf dem Gelände befindet sich zusätzlich das Sozialamt und das Kriminalamt. Zäune runter! Wohnungen her!

 

Parchim, Tramm:

In der Gemeinschaftsunterkunft Tramm sind 200 AsylbewerberInnen untergebracht, auch Familien. In drei runtergekommenen Wohnblöcken einer ehemaligen Kaserne, mitten im Wald mit Stacheldraht, Viedeoüberwachung und Pförtnerhäuschen wird jeder Schritt der BewohnerInnen registriert. Pro Block gibt es lediglich 2 Küchen, der nächste Ort mit Einkaufsmöglichkeit ist 9 km Fußweg entfernt, für den Bus reicht das Geld meist nicht. Aus der Unterkunft heraus kommt es immer wieder zu Protesten. So wurden nachts Wandbilder gemalt: eine geöffnete Tür zeigt dahinter wiederum Gitterstäbe. Mit der Forderung: „Flüchtlingsrecht“ überschrieben zeigen die Bilder die Hoffnungslosigkeit und Knastgefühle in dieser Unterkunft. Die Polizei ermittelt gegen unbekannt. Die BewohnerInnen protestieren weiter gegen ihre abgeschiedene Unterbringung im Wald und sprechen ironisch von „Dschungelheim“. Ein erster Schritt wäre eine Umverteilung in die Kleinstadt Parchim. Eine solche Umverteilung haben sich die BewohnerInnen aus der ehemaligen Unterbringung in Peeschen erkämpft. Obwohl ein Erlaß des Innenministeriums von 2001 vorschreibt, daß alle AsylbewerberInnen in der Nähe von kulturellen Zentren unterzubringen sind, wäre die Unterkunft ohne Druck von Innen wohl nie geschlossen worden. So haben die BewohnerInnen z.B. die BeamtInnen der Ausländerbehörde durch eine Straßenblockade festgesetzt, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Wir wollen den Protest stärken und die Landesregierung Schwerin unseren Zorn spüren lassen!

 

Berlin:

Abschiebknast Berlin-Grünau

Grünau ist ein Stadtteil von Köpenick. Ca. 210 Menschen werden eingeknastet, um abgeschoben zu werden. Seit über einem Jahr wehren sich die Insassen verstärkt gegen die menschenunwürdigen Zustände im Knast.

Bundeshauptstadt:

Wir werden etwas Feines mitbringen nach Berlin, um in der Bundeshauptstadt unseren Unmut kund zu tun.

 

Eisenhüttenstadt:

In Eisenhüttenstadt, 120 km östlich von Berlin, befinden sich die ZASt und der Abschiebknast auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne. Im Abschiebknast gibt es nach wie vor einen Raum, die sog. „Beruhigungszelle“, in dem Menschen z.T. mehrere Stunden eingesperrt und ausgestreckt gefesselt werden. Diese Anwendung von menschenverachtender Behandlung konnte aufgedeckt werden. Trotz des Berichtes vom Europäischen Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) aus dem Jahr 2000 hat sich bis heute nicht viel geändert. Lediglich die zuvor für die Fesselungen verwendeten, im Boden eingelassenen Eisenringe wurden entfernt und durch ein „Gurtsystem“ an einem Bettgestell ersetzt. Letztes Jahr wurde z.B. ein Mann 42 Stunden innerhalb von 3 Tagen gefesselt und rund um die Uhr videoüberwacht. Die medizinische Versorgung der Menschen im Abschiebknast ist nicht ausreichend gewährleistet. Das einzige medizinische Personal ist eine Krankenschwester. Der Arzt kommt zweimal in der Woche und verschreibt meist nur Schmerzmittel. Den Menschen im Abschiebeknast wird z.T. gesagt, daß sie nicht ins Krankenhaus können, wenn sie schwer krank sind, da sie den Aufenthalt dort bezahlen müssten. Wenn Menschen krank sind, bekommen sie z.T. keine Medizin, sondern Beruhigungsmittel. Eine schwangere Frau verlor ihr Baby vermutlich wegen mangelnder medizinischer Versorgung. Die Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht des Deutschen Anwaltsvereins bat im Jahr 2002 das brandenburgische Innenministerium um die Genehmigung, eine regelmäßige Rechtsberatung anbieten zu dürfen. Das Innenministerium lehnte dieses ab, es bestehe angeblich kein Bedarf. Die maximal mögliche Haftdauer beträgt für Abschiebehäftlinge derzeit 1,5 Jahre. Auch wenn es nur einige Aktionstage sind, die Insassen sollen wissen, daß wir da sind und an dem System rütteln!

 

Für Bewegungsfreiheit - ANTI-LAGER -ACTION-TOUR gegen Abschiebung und Ausgrenzung!

 

Millionen von Menschen sind in der so genannten dritten Welt gestorben durch die direkten Angriffe kolonialer Unterwerfung und durch deren Folgen. Heute werden sie weiter ausgebeutet und sind den Auswirkungen neokolonialer und kapitalistischer Machenschaften ausgesetzt. Menschen fliehen vor Krieg, Verfolgung und weil ihnen ihre Lebensgrundlagen entzogen wurde. Andere sind auf der Suche nach einem besseren Leben. Die reichen kapitalistischen Länder aber schotten sich immer weiter ab und rüsten ihre Grenzen immer weiter auf.. Es gibt fast keine Möglichkeiten mehr, in die westlichen Länder zu migrieren. Viele sterben auf der Flucht. Dennoch gelingt es zahlreichen, diese Länder zu erreichen. Hier angelangt werden sie rassistisch angefeindet, kontrolliert und oft in Lager gezwungen, festgenommen und abgeschoben.

 

 

Ausgrenzen, kontrollieren, abschieben - Das dezentrale Lagersystem in der BRD

 

Weltweit werden in den letzten Jahren immer neue Typen von Flüchtlingslagern entwickelt - auch in der BRD mit den so genannten Ausreisezentren, die tatsächlich Abschiebelager sind. Die Lagerformen reichen heute von Pensionen in der Großstadt, großen Gemeinschaftsunterkünften irgendwo im Wald, Abschiebelagern bis zu Abschiebeknästen. Zu einem System wird das Ganze durch rassistische Sondergesetze wie die Residenzpflicht. Sie verbietet Flüchtlingen, ohne Genehmigung den Landkreis zu verlassen, in dem ihre Unterkunft liegt. Insgesamt sind zur Zeit ca. 600.000 Menschen den Bedingungen im bundesdeutschen Lagersystem unterworfen. Am Ende der Lagerunterbringung steht für Flüchtlinge das Abschiebelager – und dessen Ausgang ist entweder das "Abtauchen" in die völlige Rechtlosigkeit der so genannten Illegalität oder die Abschiebung.

 

 

Migration unerwünscht - die politische Zielrichtung des Lagersystems

 

Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und der Änderung des Ausländergesetzes 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl faktisch abgeschafft. Im AsylbLG wird das Arbeitsverbot für AsylbewerberInnen und die Auszahlung der - drastisch reduzierten -  Hilfe zum Lebensunterhalt in Form von Sachleistungen geregelt. Damit soll die BRD als Einwanderungsland unattraktiv werden, wie es schon in den 80er Jahren der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth zum einjährigen Bestehen des ersten Sammellagers der BRD erklärte: "Die Buschtrommeln sollen signalisieren – geht nicht nach Baden-Württemberg, dort müsst ihr ins Lager." Dazu kommt die Effektivität stumpfer rassistischer Stimmungsmache. Erst durch die Unterbringung vieler Flüchtlinge in alten Kasernen wird das Bild der »Überflutung Deutschlands durch die Armen der Welt« produziert.

 

 

Ausbeuten, Verwerten - die ökonomische Ausrichtung des Lagersystems

 

Ökonomisch gesehen ist das Lagersystem eine Art Scharnier zwischen den regulären und irregulären Arbeitsmarktsegmenten. Das heißt, z.B. in den Bundesländern mit einer niedrigen Arbeitslosenquote stellt das Lagersystem billige ArbeiterInnen für unqualifizierte Jobs zur Verfügung – in Baden-Württemberg etwa arbeiten offiziell ca. 40 % aller AsylbewerberInnen. Die BewohnerInnen der Lager in Ostdeutschland pendeln zwischen ihren monatlichen Sozialamtsterminen und ihrer Arbeit im Westen – sie sind Teil der ca.1,5 Millionen ArbeiterInnen ohne Papiere, die hier die »schmutzigen«und körperlich schweren Arbeiten verrichten.

 

 

Der Wohlstand schottet sich ab - das Lagersystem der EU

 

Ein EU-weites Lagersystem für Flüchtlinge befindet sich zur Zeit im Aufbau. Bereits jetzt bestehen an den neuen EU-Außengrenzen eine Reihe von Flüchtlingsauffanglagern. Hier werden Flüchtlinge, die auf dem Weg in die kapitalistischen Zentren aufgegriffen werden, bis zu ihrer Abschiebung interniert. Die EU-Administration plant außerdem sog. „Transit Processing Center (tpc)“ an den EU-Außengrenzen und in »sicheren« Trikontländern. In die tpc’s könnten Menschen, die in der EU einen Asylantrag gestellt haben, bis zur Entscheidung ausgeflogen werden . Den äußersten Kreis des Lagersystems sollen die sog „Regional Protection Areas (rpa)“ bilden, in denen Flüchtlinge in Kriegs- und Krisenregionen zusammen mit dem Militär, der IOM (International Organisation of Migration) und dem UNHCR regional interniert werden. Dieses Konzept der Internierung vor Ort wurde bereits »erfolgreich« während des Irak- und des Jugoslawienkrieges und in Teilen des afrikanischen Kontinents angewendet. Dieses Lagersystem bedeutet Migrationskontrolle nach ökonomischen oder politischen Verwertbarkeiten.

 

 

Recht auf Rechte - die Spitze des Eisberges...

 

Das Lagersystem stellt die extremste Form gesellschaftlichen Ausschlusses von Menschen ohne deutschen Pass dar: Menschen werden mit unterschiedlichen Rechten ausgestattet und ihre Verwertbarkeit reguliert. Wir treten ein für den unterschiedslosen Zugang zu Rechten, gegen Unterdrückung und Ausbeutung auf allen Ebenen und entlang aller Herrschaftsstrukturen. Jeder Mensch hat das Recht, dort zu leben, wo er es will. Wir  erweitern den Begriff des politischen Flüchtlings durch die Aussage von Flüchtlingsorganisationen »wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört«. Das bedeutet die Ablehnung einer Hierarchisierung von Flucht- oder Migrationsgründen. Egal, ob Menschen wegen Folter oder Unterdrückung, aufgrund von Beschneidung und Zwangsheirat oder Hunger und Armut oder einfach wegen der Hoffnung auf ein besseres Leben geflohen sind. Zusammen haben wir die Chance, erfolgreich für ein besseres Leben überall zu kämpfen.

Viele sind hier, wir sind hier und wir kämpfen gemeinsam gegen diese Politik der Lager und für unsere Rechte! Recht zu bleiben, Recht zu wohnen, Recht auf ein Auskommen, Recht auf ein würdiges Leben ! Wir solidarisieren uns mit den Kämpfen aller, die die Residenzpflicht überschreiten, die sich gegen ihre Unterbringung wehren, die gegen ihre Abschiebung und für ihr Recht zu bleiben kämpfen!