Bericht über die Situation im Lager nach dem Brandanschlag

 

 

Bericht der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 25.03.05

 

"Brand in Asylbewerberunterkunft in Bramsche
Bramsche, 25.03.05
Nach zwei Bränden in der Zentralen Anlauf- und Ausländerbehörde Oldenburg mit Sitz in Bramsche nahm die Polizei zwei Asylbewerber fest. Die beiden stehen in Verdacht, am Abend des 22.03.2005 einen Brand in einem dortigen Bürogebäude gelegt und noch weitere Straftaten begangen zu haben. Das Objekt brannte vollständig aus. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von ca. 50.000 Euro.

Am gleichen Morgen wurde auch ein Brand in einer Bürohalle des Bundesverwaltungsamtes gelegt. Hierbei entstand geringer Sachschaden. Den Tätern, zwei Aserbaidschaner im Alter von 25 und 15 Jahren, werden noch fünf weitere Straftaten zur Last gelegt. Der Tatverdacht für die Brandstiftungen begründete sich unter anderem darin, dass die Festgenommenen etwa 30 Minuten vor Brandlegung bei einem Benzindiebstahl an zwei parkenden Fahrzeugen beobachtet wurden.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Osnabrück wurden die Straftäter dem Haftrichter in Bersenbrück vorgeführt. Dieser erließ einen Haftbefehl. Beide Täter sitzen jetzt in Untersuchungshaft."

 

Soweit die Zeigungsmeldung. Bei einem Besuch im Flüchtlingslager Bramsche-Hesepe am 25. März berichtete ein Flüchtling aus Aserbaidschan:

Schon vor dem 15. März gab es zwei Angriffe auf die Behörden, die sich in dem Lager befinden. Einmal wurden bei der Sozialbehörde die Fenster eingeschmissen und einmal bei der Ausländerbehörde.

Ab dem 15. März wollten die Aserbaidschaner jeden Dienstag in der Woche ein Feuer entzünden, so ist es Brauch in der soroasterischen Religion. Diese Feuer werden bis zum 21. März angezündet, dem traditionellen Neujahrsfest. Sie beschlossen, diese Feuer nicht bei der Lagerleitung anzumelden, weil sie zu oft die Erfahrung gemacht haben, daß sie bei vorheriger Anmeldung keine Genehmigung für solche Aktionen bekommen. Als sie für das erste Feuer am 15. März eine Palette anzündeten, um nach dem Brauch durch das Feuer hindurchzuspringen, kamen Lagerbedienstete und wollten die Feier untersagen, weil die Paletten ja schließlich Geld kosten. Bei weiteren Gesprächen wurde dann allerdings ein Feuer für den 21. März genehmigt und dafür Feuerholz zur Verfügung gestellt. Das Feuer sollte dann aber auf dem Helikopterlandeplatz stattfinden, dadurch hätte nicht die Möglichkeit bestanden, auch Musik zu hören zu der Feier. Den Flüchtlingen wurde daraufhin eine Kabeltrommel hingestellt, allerdings gab es keine Möglichkeit für einen Stromanschluß, was offensichtlich zu leicht gereizter Stimmung führte und die Kabeltrommel landete auf dem Holzhaufen.

Abends, gegen 20 Uhr kamen Mitarbeiter der Sozialbehörde bei dem Fest vorbei, lange nach ihrer Arbeitszeit. Auf die Frage, was sie denn da wollten, sagten sie, sie wollen zu dem Fest gratulieren, aber sie wollten auch kontrollieren, daß es zu keinen Sachbeschädigungen kommt. In der anschließenden Diskussion ging es dann auch um die zerschmissenen Fensterscheiben vor dem 15. März. Die Aserbaidschaner versicherten, daß sie an diesem Abend feiern wollen und daß niemand Bedenken haben sollte, daß etwas kaputt geht. In dieser Nacht feierten noch andere Flüchtlingsgruppen den Beginn des Neuen Jahres mit Lagerfeuern.

Am nächsten Tag war dann die Ausländerbehörde ausgebrannt. In einem anderen Haus waren die Toiletten zerstört und in Haus 16 fand ein versuchter Brandanschlag statt, der jedoch von Lagerpersonal gelöscht werden konnte.

Die Gruppe der Aserbaidschaner wurde geschlossen zur Sozialbehörde bestellt und ihnen wurde gesagt, wenn sich der oder die Täter melden, dann würden sie keine Anzeige erstatten.

Als die Kriminalpolizei kam, hatte sie schon den Namen des 15jährigen parat, der angeblich an der Tat beteiligt gewesen sein soll. Die Flüchtlinge stellten daraufhin die Mitarbeiter der Sozialbehörde zur Rede, und wollten wissen, wer denn den Jungen angezeigt hat. Sie bekamen darauf jedoch keine Antwort. Die Polizei wollte die Schuhe des Jungen sehen, weil sie bei dem aufgebrochenen Tank Fußspuren sichergestellt hatte. Die Fußspuren sprechen allerdings nach Auskunft der Flüchtlinge gegen eine Tatbeteiligung des 15jährigen, da dieser nur Sportschuhe trägt, die Fußspuren aber eindeutig nicht von Sportschuhen stammen. Außerdem konnten alle bestätigen, daß der Junge bei der Feier gewesen sei, so daß er nicht gleichzeitig das Feuer gelegt haben konnte.

Am 23. März kamen die Kripobeamten dann wieder, sie wollten das Zimmer von dem Jungen durchsuchen. Einen Durchsuchungsbeschluß legten sie nicht vor.

Die Kripobeamten nahmen dann den anderen Aserbaidschaner fest, auch hierfür legten sie keinen Haftbefehl vor.

Wegen dieser Ereignisse versammelten sich die Aserbaidschaner und stellten ein weiteres Mal die Angestellten des Lagers zur Rede. Diesmal war auch der Lagerleiter, Herr Bramm, dabei. Die Flüchtlinge sagten, auch der zuvor Festgenommene könne nicht an der Tat beteiligt gewesen sein, da auch er die ganze Zeit bei der Feier dabei war. Auf die nochmalige Frage, wer denn die Anzeige erstattet hat, bekamen sie wieder keine Antwort. Den Eltern des 15jährigen Jungen wurde gesagt, sie könnten am nächsten Tag zur Polizeiwache in Bramsche gehen, um näheres zu dem Tatvorwurf zu erfahren. Dieses wollte der Vater auch tun.

Als er am 24. März nach Bramsche zur Polizei fahren wollte, wurde ihm von Seiten der Sozialbehörde mitgeteilt, daß er dort nicht hinfahren braucht, weil die Kripo ein weiteres Mal ins Lager kommen wollte. Das tat sie dann auch und verhaftete auch den 15jährigen.

Für die Aserbaidschaner stellen sich die Verhaftungen der beiden Männer als willkürlicher Akt dar. Sie kritisieren, daß sie auf ihre Fragen keine Antworten bekommen, und daß ihren Aussagen darüber, daß die beiden Männer den Brandanschlag nicht durchgeführt haben konnten, kein Glauben geschenkt wird. Es kommt ihnen so vor, als seien vor allem die Aserbaidschaner nur aufgrund ihrer Herkunft gleich generalverdächtig. Es scheint für sie auch ein merkwürdiger Zufall zu sein, daß wieder einmal genau die Familie A. betroffen ist (aus ihr stammt der 15jährige Verhaftete). Denn diese Familie ist schon völlig zermürbt von dem Aufenthalt in dem Lager und von den Schikanen. Nachdem der Familienvater vor einiger Zeit äußerte, daß er es bald nicht mehr aushalte und lieber zurückginge nach Aserbaidschan, egal was der Familie da passiert, wurde die Familie erst Recht unter Druck gesetzt mit der Forderung nach einer „Freiwilligen Ausreise“. Der 15jährige Sohn hat Drogenprobleme und war deswegen schon in ärztlicher Behandlung. Die Mutter wurde vor einiger Zeit des Diebstahls beschuldigt, in einem Laden, in dem sie nie gewesen ist. Es fand daraufhin in dem Zimmer der Familie eine polizeiliche Durchsuchung statt. Daraufhin musste auch die Mutter in psychologische Behandlung.

Zu diesen ganzen bedrückenden Erlebnissen kommt noch, daß am Dienstag, den 22. März ein Aserbaidschaner abgeschoben wurde. Er wurde an Händen und Füßen gefesselt und zum Frankfurter Flughafen gebracht.

Egal, wer die Anschläge durchgeführt hat, die in letzter Zeit auf die Behörden des Abschiebelagers Bramsche-Hesepe stattfanden. Niemand fragt danach, woher der Zorn auf die Behörden kommt. Niemand fragt nach den Bedingungen, unter denen die Flüchtlinge leben müssen, die doch nur einen Ort suchten, an dem sie in Frieden und Freiheit leben können. Diesen Ort haben sie in Bramsche-Hesepe nicht gefunden. Ausgegrenzt aus der Gesellschaft müssen sie dort leben, eine Perspektive soll ihnen nicht gegeben werden. Der Zorn, der zu Sachbeschädigungen führt auf genau die Gebäude, die symbolhaft für die gesellschaftliche Ausgrenzung stehen und für die unmenschlichen Abschiebungen, ist auf jeden Fall gerechtfertigt. Und daß die Behörden mit den Verhaftungen der beiden Männer in den Augen der Flüchtlinge wieder nur willkürlich handeln, wird die Wut auf das Lagerregime nicht kleiner machen.