Osnabrücker Bündnis gegen Abschiebung

C/O Avanti! e.V.

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An die Kinderkommission

 

 

 

ALLE KINDER HABEN DIE GLEICHEN RECHTE

 

Keine Unterbringung von Flüchtlingskindern in Lagern!

 

 

Flüchtlingskinder sind zuerst Kinder. Bei allen Entscheidungen über ihr Schicksal und bei ihrer Behandlung im Alltag muß das Wohl des Kindes Vorrang vor dem Ausländer- und Asylrecht haben und vorrangig berücksichtigt werden.

Diese einfache, aber klare Forderung, die auch von der „National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention“, formuliert wird, wird in Deutschland und speziell in Niedersachsen nicht umgesetzt. Auf Regierungsseite – hier besonders auf Seiten der Länderregierungen – steht der Umsetzung noch immer die Vorbehaltserklärung, die bei Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention abgegeben wurde, entgegen.

In Niedersachsen im Landkreis Osnabrück in Bramsche Hesepe befindet sich das größte „Abschiebelager“ (sog. Landesaufnahmestelle LAST) Deutschlands. In diesem Lager sind neben erwachsenen Flüchtlingen sowohl begleitete als auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Sie unterliegen denselben Bedingungen wie die erwachsenen Flüchtlinge. Auch hier werden Jugendliche über 16 Jahren nach Ausländer- und Asylrecht wie Volljährige behandelt. Die Zahl der in dem Lager untergebrachten Flüchtlinge soll bis März 2004 auf 550 aufgestockt werden. Damit wird sich die Zahl der Kinder, die ohnehin schon hoch ist, noch weiter erhöhen.

Die Situation ist schon jetzt untragbar:

ê          Familien mit zum Teil sehr kleinen Kindern müssen sich einen Raum teilen, eine Privatsphäre oder Platz für Kinder ist kaum gegeben

ê          Medizinische Hilfe wird nur in Notfällen gewährleistet

ê          Psychosoziale Betreuung findet im allergeringsten Rahmen statt

ê          Die Besuchszeiten sind eingeschränkt

ê          Es wird nicht ausreichend Geld zur Verfügung gestellt, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden

ê          Essen gibt es nur in der lagereigenen Kantine und nur zu vorgeschriebenen Zeiten, auf kulturelle Besonderheiten wird keine Rücksicht genommen.

ê          Die hygienischen Bedingungen sind unzureichend

ê          Kinder sind massiven Zukunftsängsten ausgesetzt. Sie sind allein durch die Flucht traumatisiert. Hier befinden sie sich in einem Lager, von dem sie wissen, daß das Ziel des Lageraufenthaltes die Abschiebung ist. Die über 16 jährigen Flüchtlinge unterliegen voll dem behördlichen Verfahren, ohne Beistand. Und die jüngeren Kinder in den Familien bekommen sämtliches behördliches Vorgehen hautnah mit, da sie häufig übersetzen müssen, weil sie die einzigen in der Familie sind, die deutsch sprechen. Durch diese Situation sind viele Kinder einer weiteren Traumatisierung ausgesetzt. Sie fühlen und befinden sich in hoffnungslosen und resignativen Situation

ê          Durch die Aufstockung des Lagers ergibt sich eine weitere verschärfte Situation, was das Recht auf Bildung angeht. Zur Zeit gehen die schulpflichtigen Kinder auf verschiedene Schulen in Bramsche und Hesepe. Über 16 jährigen Kindern wird allerdings häufig der Schulbesuch verweigert. Nun soll in dem Lager eine Schule eingerichtet werden, damit der Schulpflicht genüge getan wird. Damit wären die Kinder vollends hinter dem Maschendrahtzaun isoliert. Es wird ihnen verwehrt, außerhalb des Lagers Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu finden. Darüber hinaus ist es nicht vorstellbar, daß eine lagereigene Schule wirkliche Bildung vermittelt.

Abgesehen von der UN-Kinderrechtskonvention müssen die zuständigen Behörden und Institutionen mehr für die Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen tun. § 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) sieht für alle Kinder unabhängig von einer möglichen Rückkehr- oder Bleibeperspektive ein Recht auf Förderung der Erziehung sowie den Schutz vor Gefahren für das Kindeswohl vor.

Aus dieser Situation ergeben sich folgende Forderungen:

 

Forderungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge:

 

ê          Allen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen muß umgehend Schutz durch Inobhutnahme (§ 42 KJHG) gewährt werden, keine Unterbringung in Sammellagern.

ê          Bestellung eines Vormunds. Der Vormund ist als ein parteilicher Interessenvertreter des Betreuten nur dem Kindeswohl verpflichtet, nicht öffentlichen oder fiskalischen Interessen. Das bezieht sich auf die eventuelle Einleitung von Jugendhilfemaßnahmen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Aufenthaltsrecht in Deutschland und das Asylverfahren.

ê          Regelmäßiges Clearingverfahren für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge.

ê          Federführend und zuständig für alle Fragen zum Aufenthalt sind primär die Jugendämter, nicht die Ausländerbehörden.

ê          Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ist eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Ermöglichung eines Daueraufenthaltes bei überwiegender Sozialisation in Deutschland.

 

Forderungen für begleitete und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge:

 

ê          Regelmäßige Gewährung von Hilfe zur Erziehung. 

ê          Vorhaltung adäquater Unterbringungsplätze in Einrichtungen der Jugendhilfe in den Kommunen. Keine Unterbringung in Sammellagern.

ê          Gewährleistung einer sozialpädagogischen Beratung sowie aller erforderlicher medizinischer und psychotherapeutischer Hilfen.

ê          Einrichtung von Vorschulklassen, Sprachförderung und begleitende schulische Hilfen für Flüchtlingskinder. Dann Unterbringung in den örtlichen Schulen.

ê          Abschaffung aller Beschränkungen bei der Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung, Genehmigung des Aufenthalts mindestens bis zum Abschluß einer Ausbildung.

ê          Verzicht auf Abschiebehaft und Abschiebung minderjähriger Flüchtlinge

 

Während der Tagung der National Coalition am 19. November 03 in Osnabrück konnten wir es ermöglichen, daß einige Kinder des Lagers Bramsche-Hesepe sich an der Aktion „Mitmischen possible“ im Workshop „Internationale Verpflichtungen“ beteiligen konnten. Zusammen mit den anderen Kindern und Jugendlichen des Workshops formulierten sie einen offenen Brief an C. Wulff, der aus ihrer Sicht ihre Situation und Forderungen eindringlich schildert. Dieser Brief soll dem Ministerpräsidenten persönlich übergeben werden.

Wir begrüßen es sehr, daß in dem Workshop den Kindern wenigstens einmal die Möglichkeit gegeben wurde über ihre Wünsche und Ängste zu berichten.