Die Gegenwart der Lager

- Zur Mikrophysik der Herrschaft in der deutschen Flüchtlingspolitik -

das Buch:

Tobias Pieper schreibt über Asylsuchende, de facto-Flüchtlinge und geduldete MigrantInnen, die  hierzulande seit 1982 in lagerähnlichen Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, die dezentral über das Bundesgebiet verteilt liegen. Derzeit sind immer noch über 100.000 Menschen davon betroffen; mit dem ‚Zuwanderungsgesetz’ wurden Ausreiseeinrichtungen zur Forcierung ‚freiwilliger’ Ausreisen als neue Lagerform kodifiziert. Die Ausschließung der MigrantInnen, gesellschaftlich und in den bundesdeutschen halboffenen Lagern, findet selbst von einer kritischen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet statt. Von der Analyse des Sozialraums Lager aus der Perspektive seiner BewohnerInnen ausgehend fragt Tobias Pieper in seiner Forschungsarbeit auf der Grundlage von raumtheoretischen und sicherheitstechnologischen Überlegungen nach der politischen, ideologischen wie ökonomischen Funktion der Lagerunterbringung und rollt diese in ihren historischen Dimensionen auf.

Dr. Tobias Pieper und Prof. Wolf-Dieter Narr verbrachten im März 2006 zweieinhalb Tage in dem Lager Bramsche-Hesepe, einschließlich Übernachtung. Sie hatten Gelegenheit mit vielen der BewohnerInnen des Lagers zu reden. Sie bekamen eine Innenansicht des Lagers,  lernten die  Behörden des Lagers kennen und führten Gespräche mit den  Angestellten der Behörden.

 

das Lager:

Seit November 2000 besteht in Bramsche-Hesepe, im Landkreis Osnabrück eines der europaweit größten Abschiebelager für Flüchtlinge. 550 Flüchtlinge können in dem Lager zwangsuntergebracht werden. Ca. 100 bis 150 Kinder müssen in dem Lager leben.

Seit Jahren ist das Lager Modellprojekt für die sog. „Freiwillige Rückkehr“, was bedeutet, daß hier alle Zwangsmaßnahmen, die gerade noch mit den Gesetzen zu vereinbaren sind, ausprobiert werden, um die BewohnerInnnen zur Ausreise zu bringen. Wer nicht gehen kann oder gehen will, wird in einer lähmenden Perspektivlosigkeit gehalten, die die Menschen zerstört. Denn für die Behörden zählen nur Ausreisezahlen, nicht Menschlichkeit.

Immer wieder in den vergangenen Jahren protestierten Lagerinsassen gegen die unmenschlichen Bedingungen. Auf die berechtigten Forderungen geantwortet wurde von Seiten der Verantwortlichen zumeist mit Repression.

Dr. Tobias Pieper:

Tobias Pieper ist Politikwissenschaftler und Psychologe. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Lagerunterbringung, Flüchtlingspolitik, Migration und Rassismus. Er ist Lehrbeauftragter an der FU Berlin. Tobias Pieper ist Mitarbeiter bei reflect! und der Assoziation Kritische Gesellschaftstheorie, er ist antirassistischer Aktivist und arbeitet bei der Opferperspektive Brandenburg mit. Seine Promotion über die Lagerpolitik in Deutschland legt er mit „Die Gegenwart der Lager“ als Buchform vor.

 

Prof. Wolf-Dieter Narr:

Wolf-Dieter Narr ist emeritierter Professor der Freien Universität Berlin. Er ist Mitbegründer und zeitweiliger Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Dieses Komitee hat es sich zur Aufgabe gemacht, aktuelle Verletzungen von Menschenrechten aufzudecken und öffentlich zu machen, und es setzt sich für diejenigen ein, deren Menschenrechte verletzt werden. Ferner werden Verletzungen von Menschenrechten analysiert, die durch gesellschaftliche Strukturen und aus der gesellschaftlichen Entwicklung heraus entstehen.

Wolf-Dieter Narr über das Lager:

„das Lager dient nicht nur dazu, sie (die Menschen) festzuhalten, also die erste Bedingung der Freiheit, Bewegungsfreiheit aufzuheben; das Lager ist nicht nur kärglich ausgestattet und versehrt die Menschen in ihm; es ist auf Kontrolle geeicht und so angelegt, dass auf seine Insassen sekündlich Druck ausgeübt wird, sich im Sinne der Lagerzwinger zu verhalten. Sozialräumliche ´Behältnisse´ dieser zwangsbegrenzten und zwangsdurchwachsenen Art verdienen die Bezeichnung Lager.“  

 

Veranstaltung mit Wolf-Dieter Narr und Tobias Pieper

 

Sonntag, den 18. Januar 2009

14 Uhr 30

„Altstädter Bücherstuben“

 

Veranstalter:

NoLager-Gruppe

Avanti!

Asta der Universität

Osnabrück