Verpachtung des Parkhotels in Bad Essen an Nazifunktionär

 

Seit dem 1. Dezember ist das unter Zwangsverwaltung stehende Parkhotel in Bad Essen an Gustav Arnold Eggerking verpachtet. Er ist Bruder der Eigentümerin.

Eggerking trat im Mai 2000 zur Wahl für die Republikaner in Hamm an, bei der letzten Bundestagswahl kandidierte er für die NPD in Diepholz-Nienburg.

Innerhalb der Naziszene ist das Anpachten von Häusern nichts Ungewöhnliches. Häufiger jedoch finden Häuserkäufe statt. Denn bei einem Hauskauf ist es noch einfacher, die eigentlichen Ziele der Handlungen zu verschleiern. Festzustellen ist auf jeden Fall, daß seit Anfang 2000 das Immobiliengeschäft zur politischen Strategie der organisierten Nazis gehört. Die angestrebte Nutzung der Häuser ist mal weniger, mal mehr offen.

Vergleicht man die Umstände und Möglichkeiten, die sich der Naziszene mit der Pachtung des Parkhotels bieten mit anderen Immobiliengeschäften, dann erkennt man, daß die Verpachtung des Gebäudes nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist.

Beispiele:

In Gränitz in Sachsen ersteigerte der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende Günther Deckert einen Dorfgasthof. Die Schankgenehmigung für diesen Gasthof beantragte ein anderer Parteifunktionär, Ralf Meyer, ehemaliger Schatzmeister der NPD Sachsens. Ziel der Nutzung: Gaststätte, Biergarten, Jugenddisco und Übernachtungsmöglichkeiten. Von Günther Deckert kam zur Nutzung des Hauses eine ähnliche Stellungnahme, wie sie nun von Gustav Arnold Eggerking kommt: Nachdem Deckert in einem Aufruf das Haus für Parteitage, Tagungen und Konzerte von rechten Gruppen anbot, bestätigte er dies auf Anfrage, mit den Worten: Wenn die Republikaner kämen und die Miete stimmte, wäre das kein Problem. Nur ausländische Gruppen und Linke wolle er dort nicht sehen. (Kommentar Eggerking zum Parkhotel: „Wenn die NPD bezahlt, warum nicht?“)

Der Gasthof von Deckert zeigt darüber hinaus, was weiter Strategie der Immobilienanhäufung bei den Nazis ist. Es geht nicht nur darum, Möglichkeiten für Veranstaltungen aller Art mit faschistischem Hintergrund zu schaffen, es geht auch um eine Akzeptanz in der Bevölkerung, was im ländlichen Gebiet allemal einfacher ist, als in einer Stadt. Die Idee ist, Raum für die üblichen dörflichen Veranstaltungen anzubieten, wie dem Feuerwehrball oder Tanzabende mit anderem Hintergrund.

Die ländliche Abgeschiedenheit bietet eine gewisse Ruhe vor dem Protest von AntifaschistInnen und empörten AnwohnerInnen.

Eine Anbiederung an die Bevölkerung ist Teil der Strategie der Akzeptanz. Nicht selten zeigte sich, daß sobald die Akzeptanz der Nazis im Dorf gesichert ist, der politische Widerstand von Außen zur „ungerechtfertigten Einmischung“ und die Nazis zu den „netten Nachbarn“ geworden waren.

Ein Beispiel für dieses Vorgehen ist Steffen Hupka, Mitglied der NPD und des „Deutschen Kollegs“ mit starker Nähe zum Konzept der „Freien Kameradschaften“, der sich der mittlerweile aufgelösten sog. „Revolutionären Plattform“ innerhalb der NPD zurechnet. Hupka kaufte 2001 einen ehemaligen LPG-Hof in Trebnitz in Sachsen-Anhalt, er tritt gerne in örtliche Vereine wie den Schützenverein ein, und wirkt dort auch aktiv mit.

Warum die Verfügung über Immobilien für die Organisation der Nazis wichtig ist, sogar Teil des Konzeptes der „National befreiten Zonen“, beschreibt Steffen Hupka in einem Artikel der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ (11/1999): Die Verfügung über Immobilien sei nicht der Versuch der totalen Abgrenzung von der bestehenden Gesellschaft, also Selbstzweck im Sinne von Nazis als Aussteigern, sondern Mittel zu einer politischen Veränderung im Sinne der Nazis. Ein Objekt wird nach diesem Konzept als materielle und moralische Basis definiert. Zitat: „Sie muß unsere Nachschubbasis und unsere Heimatfront sein. Aus ihr heraus müssen wir die eigentliche Front weiter vorschieben, müssen wir neue Nebenkriegsschauplätze, sprich Befreite Zonen, eröffnen.“ Und weiter: „Steht das Objekt auf sicheren Füßen, kann man daran gehen, weitere Freiräume zu erobern.“ Hupka hält die Schaffung eines Netzwerkes von Objekten für die zentrale Aufgabe des „gesamten nationalen Widerstandes“.

Weitere Beispiele:

In Scharbow (Mecklenburg-Vorpommern) pachtete 2002 Jürgen Witt, ein ehemaliges Mitglied der „Sauerländer Aktionsfront“ ein zweistöckiges Gebäude, wo er im Namen des Vereins „Freie Deutsche e.V.“ u.a. Sonnenwendfeiern und Wikingerfeste organisierte.

In Salchow (Mecklenburg-Vorpommern) pachtete (auch 2002) das Mitglied des „Kameradschaftsbunds Anklam“ Markus Thielke ein Haus mit angrenzender Scheune, die zur privat genutzten Kneipe umgebaut wurde. Hier finden u.a. regelmäßig  als Geburtstagsfeiern getarnte Nazitreffen statt oder auch Schulungsveranstaltungen.

Damit sind wir bei einem weiteren Punkt der Ankündigungen, was die angestrebte Nutzung des Parkhotels durch Gustav Arnold Eggerking angeht. Das Haus stehe für Geburtstagsfeiern, Scheidungen und andere Feiern zur Verfügung. Innerhalb der Naziszene ist es üblich, Veranstaltungen aller Art, von Versammlungen bis hin zu Rechtsrockkonzerten, offiziell z.B. als „Geburtstagsfeier“ zu betiteln, um so den Widerstand gegen solche Veranstaltungen gering zu halten. Eggerking hat in der rechtsextremen Zeitschrift „Nation und Europa“ eine Anzeige geschaltet, in der er das Hotel in Bad Essen als den „Tagungsort für Nationale, ideal auch für Feste und Feiern“ bezeichnet, was eigentlich eine sehr deutliche Ankündigung ist. Auf Anfrage der Presse konkretisierte er die Ankündigung als „Kindergeburtstage, Scheidungen und andere Feiern“. Und auf die Nachfrage, ob auch die NPD Nutzerin sein könnte, formulierte er: „Wenn die NPD bezahlt, warum nicht?“

Schon früher waren Immobilien der Nazis in den Schlagzeilen. Zwei recht bekannte Projekte, die mittlerweile nach jahrelangem Widerstand geschlossen wurden, waren das Schulungszentrum in Hetendorf oder in Detmold-Pivitsheide. Die Aktivitäten, die in diesen Zentren stattfanden und von ihnen ausgingen, wirkten nur in die Naziszene hinein. Das sollte auch so sein. Bei der Nutzung der Immobilien, die seit Anfang 2000 stattfindet, geht es darüber hinaus auch erklärt um die Schaffung von Infrastruktur und um Akzeptanz und letztlich auch um die Einbeziehung der örtlichen Bevölkerung. Die daraus resultierende Tolerierung rechter Ideologie bzw. ihre weitergehende Etablierung im öffentlichen Raum würde sie ihrem Konzept der „Befreiten Zonen“ ein erhebliches Stück näher bringen.

Üblich für die Immobilien der Nazis ist auch, daß dort Leute wohnen. Und auch das scheint für das Parkhotel in Bad Essen vorgesehen zu sein. In der Anzeige in „Nation und Europa“ wird um Langzeitmieter geworben. Nach dem bisher gesagten steckt dahinter eine gewisse Logik, die der Präsenz und Akzeptanz im Ort.

Eggerking ist wie gesagt Funktionär der NPD. Er kandidierte zuletzt bei der Bundestagswahl 2005 für die NPD im Wahlkreis Diepholz-Nienburg. Während des Wahlkampfes war er auch gemeinsam mit Bewohnern des Dörverdener „Heisenhofes“ und dem stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Adolf Dammann in Stade unterwegs. Bei diesen Infoständen wurde u.a. die sog. „Schulhofkampagne“ mit Propaganda-CD´s eingeleitet.

Daß die Verpachtung des Parkhotels für die Naziszene eine gewisse Bedeutung hat, zeigt auch eine Veröffentlichung samt Kommentar dazu auf der rechtsextremen Internetseite „Störtebeker-Netz“, einschließlich anschließender Kommentare von Nutzern der Seite.

Und auch der NPD-Unterbezirk Osnabrück hat sich schon gemeldet. Unter dem Titel „Auf gute Nachbarschaft! – NPD-Unterbezirk Osnabrück findet neues Zuhause in der Gemeinde Bad Essen“ wurde Anfang der Woche ein Flugblatt verteilt, in dem sie mitteilen, daß die Kreisverbände der NPD von Osnabrück, Münster, Steinfurt und Minden bereits Kontakt zu Eggerking aufgenommen haben und daß dieser einer Nutzung durch die NPD für Veranstaltungen bis zu drei mal im Jahr zugestimmt habe. Weiter kündigen sie an, daß sie Eggerking unterstützen werden, indem sie anbieten, zahlreiche Großveranstaltungen dort durchzuführen, falls der Fall eintritt, daß das Hotel von anderen Gästen boykottiert wird. Tatsächlich hat schon eine erste NPD-Veranstaltung in dem Hotel stattgefunden, am 27. November, angekündigt als kommunalwahlpolitische Veranstaltung. Diese Veranstaltung war auch von außerhalb gut besucht und wurde von der Polizei beobachtet.

Am Montag, den 5. Dezember gab es ein erstes Treffen von interessierten GegnerInnen der Nazis in Bad Essen, die sich über die aktuelle Situation der Pacht informieren wollten und die diskutieren wollten, wie auf Dauer mit der Situation umzugehen sei. Eingeladen hatten die Grünen und ca. 50 Leute, vor allem aus Bad Essen und der näheren Umgebung, waren der Einladung gefolgt. Für die Gemeinde Bad Essen war der 1. Gemeinderat gekommen, der dann gebeten wurde, zunächst aus Gemeindesicht über den aktuellen Stand der Verpachtung zu berichten. Er erzählte dann zunächst was zur Vorgeschichte der Verpachtung des Parkhotels, die mit einer geplanten, dann aber verworfenen Abrissabsicht im Jahr 2002 begann. Seitdem gab es immer wieder Gespräche mit der Besitzerin um Nutzungskonzepte, besonders wenn sich ein interessierter Investor bei der Verwaltung von Bad Essen meldete. Doch alle Gespräche verliefen erfolglos. Seit dem 1. Dezember nun ist das Parkhotel an den Bruder der Besitzerin, Gustav Arnold Eggerking, verpachtet. Der Pachtvertrag läuft bis Ende 2010. Grundsätzlich begrüße die Gemeinde eine Verpachtung, Sorge bereite die Mitgliedschaft des Pächters in der NPD, da die Ziele dieser Partei den Ansprüchen eines Heilbades widersprächen. Das sei kontraproduktiv für die touristische Nutzung. Der Gemeinderat verwies darauf, daß Bad Essen kein gewachsener NPD-Standort sei. Gleichzeitig wies er darauf hin, daß die Gemeinde keine besondere Handhabe gegen einen NPD-Pächter habe, sondern nur dieselben, wie bei anderen Betrieben auch. Schwierig sei in diesem Zusammenhang auch, daß nicht alle Zuständigkeiten bei der Gemeindeverwaltung von Bad Essen lägen, sondern zum Teil auch beim Landkreis Osnabrück.

Nach der Stellungnahme des 1. Gemeinderates begann dann die Diskussion. Diese Diskussion machte eine gewisse Hilflosigkeit deutlich, anderseits wurde immer wieder betont, daß der Umgang mit Nazis eine politische Frage ist, der sich alle in der Gemeinde stellen müssen.

Was nach diesem ersten Gesprächsabend deutlich war, ist, daß es eine enorme Empörung über die Verpachtung an einen Funktionär der NPD in Bad Essen gibt. Die Gespräche werden weiter gehen, dann werden auch die Planungen um Aktionen gegen ein Breitmachen der NPD konkreter werden. Daß diese Planungen nicht gleich am ersten Abend und überstürzt in die Wege geleitet wurden, ist im Nachhinein betrachtet gut, auch wenn vielleicht viele an diesem Abend mit einem bleibenden Gefühl der Hilflosigkeit nach Hause gegangen sind. Denn interessiert an dem Informationsabend gaben sich nicht nur empörte BürgerInnen aus Bad Essen, sondern auch einige Angehörige der Naziszene. Die sollten natürlich möglichst aus den nächsten Treffen herausgehalten werden. Alles in Allem muß auf jeden Fall als positiv bewertet werden, daß sich doch einigermaßen viele Leute an diesem Abend zusammenfanden, und daß auch etliche dabei waren, die sich auch auf Dauer einmischen werden.

Der Umgang mit der NPD bleibt schwierig. Er ist nicht leichter geworden nach dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren. Die meisten Veranstaltungen von Nazis, welcher Art auch immer lassen sich kaum verbieten, wenn sie unter dem Label der NPD laufen.

Ob sich Nazis irgendwo festsetzen und die Möglichkeit bekommen, ihre Propaganda zu verbreiten bleibt eine politische Frage, eine Frage der Nichtakzeptanz im Ort. Das heißt nicht, daß politisch Verantwortliche einer Gemeinde oder auch die Verwaltung nicht versuchen sollten, ihre Möglichkeiten der Unterbindung von Naziaktivitäten so weit wie möglich auszuschöpfen. Denn auch wenn so was häufig ohne Erfolg bleibt, ist es immerhin ein politisches Zeichen, das gesetzt werden muß. Es reicht aber nicht, sich darauf zu verlassen. Um wirklich dem Treiben der Nazis etwas entgegenzusetzen, sind wir alle gefragt. Das bedeutet in erster Linie, die Aktivitäten der Nazis genau zu beobachten und an die Öffentlichkeit zu bringen. Das bedeutet außerdem, immer wieder öffentlich zu zeigen, daß Rechtsextreme keine Akzeptanz finden, bei keiner Gelegenheit und nirgendwo. Es darf nicht zur Normalität werden, daß Nazis zu Nachbarn werden, wie das leider bei dem als Parteihaus gepachteten Gebäude der NPD am Harderberg südlich von Osnabrück der Fall ist. Auch diese Immobilie zeigt, daß in den letzten Jahrzehnten der Pachtung Nazis je nach aktuellem Organisierungsgrad die Infrastruktur für alle möglichen Aktivitäten nutzen. Das NPD-Haus ist so zur Normalität geworden, daß sich nur selten und kaum jemand darüber aufregt. Hoffen wir, daß nicht ähnliches in Bad Essen geschieht.